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Armando Spataro bei einer Pressekonferenz in Mailand.

Foto: AP/Pellaschiar

Italiens neues Abhörgesetz schützt nicht die Privatsphäre, sondern soll Ermittlungen gegen die Mafia und gegen Korruption erschweren, sagt Mafiajäger Amando Spataro im Gespräch mit Thesy Kness-Bastaroli.

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STANDARD: Wie können sich Italiens Richter massiven verbalen Angriffen vonseiten der Politik im Allgemeinen und des Regierungschefs Silvio Berlusconi im Besonderen entgegenstellen?

Spataro: Wir werden heute mit einer Häufigkeit beschimpft, die in keinem anderen Land der Welt möglich wäre. Ich nehme derartige Beschimpfungen nicht persönlich. Wir leben in einer Epoche der Kommunikation, wo das Fernsehen das Sagen hat. Sicher wirken sich die destruktiven Schimpfparaden negativ auf die Glaubwürdigkeit der Justiz aus. Die Staatsanwaltschaft und die Verwaltung benötigen aber weder politische Zustimmung noch den Konsens der Bürger. Sie handeln unabhängig von der politischen Macht.

STANDARD: Anfang Juli haben die Richter gestreikt. Das ist selbst in Italien etwas Ungewöhnliches. War auch die Verschlechterung des politischen Umfeldes ein Grund dafür?

Spataro: Ich selbst nahm nicht am Streik teil. Tatsache ist, dass sich das Klima in den letzten Jahren wesentlich verändert hat. Als ich in den Siebzigerjahren gegen den Terrorismus vorging, war das Umfeld anders. Zweifellos gab es auch damals Spannungen. Im Kampf gegen den Terrorismus wurden in Italien mehr Richter umgebracht als in irgendeinem südamerikanischen Land. Allerdings hatte die Legislatur damals Gesetze geschaffen, welche eine Bekämpfung des Terrorismus und später auch des organisierten Verbrechens möglich machten. Wir erhielten damals von der Regierung Rückendeckung.

STANDARD: Hat der Kampf gegen die Mafia Erfolg gehabt?

Spataro: Wir haben sowohl in Süd- wie auch in Norditalien exzellente Ergebnisse im Kampf gegen die Mafia erzielt. Auch deshalb, weil wir bei unseren Ermittlungen über das organisierte Verbrechen dieselben Methoden angewendet haben wie beim Kampf gegen den Terrorismus. Im Gegensatz zum Terrorismus hat die Mafia jahrhundertealte Wurzeln. Manch eine mafiöse Organisation befindet sich zwar derzeit in der Krise. Das bedeutet aber nicht, dass sie besiegt ist. Sie kann sich binnen kurzer Zeit erneuern. Man kann die Mafia nicht durch Gesetze besiegen: Nur wenn die Gesellschaft die Mafia und ihre Schwesterorganisationen ablehnt, kann sie vernichtet werden.

STANDARD: Sind Sie bei Ihren Ermittlungen gegen die Mafia auch im Ausland, etwa in Österreich, fündig geworden?

Spataro: Gegen die "Calabresi" habe ich auch in Deutschland, aber nicht in Österreich ermittelt.

STANDARD: Sehen Sie in dem kürzlich gefällten Urteil gegen Berlusconi-Freund und Forza-Italia-Politiker Marcello Dell Utri einen Erfolg im Kampf gegen die Mafia? (Dell Utri wurde am 29. Juni infolge seiner Verbindungen zur Mafia zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, Anm.)

Spataro: Ich kann nichts über die Urteilsbegründung sagen. Es ist nicht mein Fall. Aber allein die Tatsache, dass es zu einem Urteil kam, ist als Fortschritt zu werten.

STANDARD: Welche Auswirkungen wird das neue Gesetz über die Einschränkung von Telefonabhörungen haben, das Italiens Parlament noch Ende Juli verabschieden will?

Spataro: Offensichtlich handelt es sich nicht um ein Gesetz, das die Privatsphäre schützen, sondern um eines, das Ermittlungen erschweren soll. Es wird schwieriger, gegen Korruption, aber auch gegen die Mafia und Terrorismus vorzugehen.

STANDARD: In Italien gab es großen Wirbel um veröffentlichte Telefonabhörprotokolle. Wie handhaben andere Länder den Umgang mit solchen Daten?

Spataro: Nach Angaben einer verlässlichen Quelle wurden in Italien im Vorjahr 108.000 Telefonate abgehört. Die von Regierungschef Silvio Berlusconi genannte Zahl von einer Million entspricht nicht der Realität. Während in Italien jegliches Anzapfen einer Telefonleitung von einem Richter genehmigt werden muss, kontrollieren in Großbritannien und in den USA die Geheimdienste dieses Phänomen. Die Zahl der abgehörten Telefonate liegt dort zweifellos weit über dem Schnitt Italiens, allerdings wird deren Publikation in diesen Ländern erschwert. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.7.2010)